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Wirklichen
zur
Kunst.
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während er beim Homer dem Odysseus die antimagische
Pflanze lange vorher giebt, u. s. w. „Wie erbärlnlich
quälen sich nicht die neueren Künstler um die kleinsten
historischen Umstände Im)
i
Das (jharakterisieren und die Übertreibung
des Charakteristischen sind weitere Eigentiimlich-
keiten des künstlerischen Schaffens. Die Riesen werden
vergrößert, die Zwerge verkleinert. Die Phantasie ändert
beständig an den Mafsen derDinge. AlsGoethe auf seiner
Fahrt von Palermo nach Neapel die berühmten Felsen
Scylla und Charybdis sah, üel ihm zweierlei auf: der
Dichter hat erstens die beiden Felsen näher zusammen-
gerückt und zweitens hat er sie höher dargestellt, als
sie in Wirklichkeit sind. Da solle man sich nun nicht
über die Fabelei der Poeten beklagen, meint unser
Reisenden?) sondern die 'l'hatsache hinnehmen, dafs die
Einbildungskraft aller Menschen (lurchaus Gegenstände,
wenn sie solche bedeutend vorstellen Will, höher als breit
imaginiert und dadurch dem Bilde mehr Charakter,
Ernst und Würde verschafft. {fausendmal habe ich
klagen hören, dzifs ein durch Erzählung gekannter
Gegenstand in der Gegenwart nicht mehr befriedige;
die Ursache hiervon ist immer dieselbe: Einbildung
und Gegenwart verhalten sich wie Poesie und Prosa;
jene wird. die (legenstiintle mächtig und steil denken,
diese sich immer in die Fläche verbreiten."
Mcycr, Januar
I4. Mai 1787.
780.
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Ausg,
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