Vom
Wirklichen
zur
Kunst.
Eine Fülle von Schönheit bietet uns die Natur dar;
vieles, was Sinne und Seele erfreut, entsteht auch
gleichsam von selber im täglichen oder im festlichen
Leben der Menschen. Dennoch haben sich in jeder
kultivierten Gesellschaft noch besondere Stände und
Berufe von Schönheits-Erzeugern herausgebildet; überall
heifst man sie willkommen, und wir Deutschen ehren sie
vor allen andern Könnern als "Künstler". Sie führen
die Nationen aus dem Zeitalter der Barbarei heraus
zur Kultur; nicht sie allein, aber sie in erster Reihe.
Diese Künstler stehen wie alle Menschen nicht aufser-
halb der Natur, ihre Leistungen sind also in gewissem
Sinne Naturwerke, 1) aber wir müssen, um uns die Kunst
(leutlicla zu machen, sie doch in Gegensatz zur übrigen
Natur bringen. Goethe nannte die Kunst einmal "eine
zweite Natur", die gleichwie Minerva aus dem Haupte
jupiters, so aus dem Haupte der gröfsten Menschen
geboren worden?)
1)
wcrkc.
Goethe,
I 798.
Über Wahrheit und Wahrscheinlichkeit der Kunst-
S) Ital. Reise, I I. August 1787.