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ist 1nir angeboren oder in mir entstanden, Gott weils
wie. Meine dargestellten Frauencharaktere sind daher
auch alle gut weggekommen, sie sind alle besser, als
sie in der Wirklichkeit anzutrelTen sindftl)
Die Dichter und sonstigen Künstler regen nicht nur
unsere Phantasie auf, sondern leiten sie auch zu edleren
Bildern; sie mafsigen und mildern unsere 'l'riiu1ne. Man
braucht nur an die Geschichte des Aberglaubens zu
denken, uin mit Schiller zu gestehen, dal's "der Mensch
in seinem Wahn" der schrecklichste der Schrecken ist.
Auch die Künstler sind nicht frei von Wahn und Aber-
glauben, aber sie bewegen sich doch in höheren
Sphären und ziehen die Menge allmählich zu sich herauf.
"Einbildungskraft wird nur durch Kunst, besonders durch
Poesie, geregelt. Es ist nichts fürchterlicher als Ein-
bildungskrztft ohne Geschmackfa)
Alles Lob der Kunst hat freilich zur Voraussetzung,
dafs die Künstler gesund, edel, gebildet und wohl-
meinend sind. Krankhafte Künstler erzeugen krankhafte
Gesinnungen und sollten deshalb entschieden abgelehnt
werden. Goethe that es ollf:
"Mir will das kranke Zeug nicht mnnduxi,
Autoren sollten erst gcsundcnllm)
"Die Poeten schreiben alle, als wären sie krank und
die ganze Welt ein Lazarett," so sagte er 1827 ärgerlich
zu Eckermannf) indem er an die Romantiker jener
]ahre dachte. "Alle sprechen sie von den Leiden und
dem Jammer der Erde und von den Freuden des Jenseits,
1) Eckcrmann, 20. Oktober
Rcücxioncn. 5') Zuhmu Xcnicn.
2) Maximen und
Sclutexulßcr 1827.