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Der
Kunst.
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die Vielseitigkeit, Empfänglichkeit und Anpassungstähigkeit
des deutschen Geistes schienen uns für diese kosmo-
politische Aufgabe vorausbestinnnt zu haben.
Dafs die Künstler uns ältere Kulturen verständlich
machen, auch dadurch unseren Gesichtskreis ungemein
erweitern und uns vor dem falschen Stolze, „wie wir's
S0 herrlich weit gebracht", behüten, braucht nur
erwähnt zu werden. „Das Altertum mufs Ihnen doch sehr
lebendig sein," meinte Eckermann, als er mit Goethe über
die klassischen Scenen im zweiten Teile des ,Faust'
sprach. 1) „Ohne eine lebenslängliche Beschäftigung mit
der bildenden Kunst wäre es mir nicht möglich gewesen,"
War die Antwort. Dieses Leben in einer früheren Kultur
bedeutet für manchen Menschen geradezu ein Leben-
können überhaupt; man braucht nicht aus dem Leben
Zu fliehen, wenn man der Gegenwart entfliehen kann.
Goethe liebte die antike Welt mit ganzem Gemüte, und
ihre Kunstwerke sprachen ihm Frieden zu. So sagt er
in den ,Maximen und Reflexionen": „Der für dichterische
llnd bildnerische Schöpfungen empfangliche Geist fühlt
sich, dem Altertum gegenüber, in den anmutigst ideellen
Naturzustand versetzt, und noch auf den heutigen Tag
haben die Homerischen Gesänge die Kraft, uns
wenigstens für Augenblicke von der furchtbaren Last zu
befreien, welche die Überlieferung von mehreren tausend
Jahren auf uns gewälzt hat." Ähnlich hat er schon in
Italien empfunden?)
1) 21.
April I788.
Februar
1831.
Ital.
Reise
Bericht
über