326
Goethes
Ästhetik.
Und in diesen höhcrn Sphären
Kann das Ohr viel feiner hören,
Kann das Auge weiter tragen,
Können Herzen freier schlagen"
Erst die Dichter geben uns Mut, von unsern Ge-
fühlen zu reden; sie lassen uns eine falsche Scham
überwinden; sie ermuntern uns, von Freundschaft und
Liebe und hohen Idealen zu reden. "Es freut rnich,dafsDu
mein Gedicht nochmals vorlesen wollen," schreibt Goethe
an seinen alten Gefährten Konstantin v. Knebel f) "einer
Gesellschaft von Freunden harmonische Stimmungen zu
geben und manches aufzuregen, was bei den Zusammen-
künften der besten Menschen so oft nur stockt, sollte
von rechtswegen die beste Wirkung der Poesie sein."
Die Kunst bringt die Menschen innerlich zusammen
wie der Wein, weshalb wir denn auch beide dann herbei-
rufen, wenn solche Annäherung erwünscht ist. „Selbst
im Augenblick des höchsten Glücks und der höchsten
Not bedürfen wir des Künstlersfß)
der
der Muscn
Hirnmclsluft
sich
Busen
Öffnet
Busen,
dem
Freund begegnet neuem Freunde,
Schliefsen sich zur All-Gemeinde,
ihnt
Dort versi
sich
Feind
Feinde.
dem
Und
m anchlnal
trifft
dann
auch
die Fortsetzung
Zlli
"Was heute fröhlich macht, was heute rührt,
Nicht etwa flüchtig wird's vorbcigeführt;
Was heute wirkt, es wirkt aufs ganze Leben.
1) Prolog zur Eröffnung des Berliner Theaters im Mai 182 I.
2) Am I2. Januar 1798, Wcim. Ausg. IV, I3, 17. 3) Maximen
und Reflexionen.