der
Förderung
Die
Kunst.
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grofse Schwierigkeit, die wir alle erfahren, uns auf ein-
samem Wege durchzuhelfen.
"Nehmen Sie dagegen Beranger. Er ist der Sohn
armer Eltern, der Abkömmling eines armen Schneiders,
dann armer Buchdruckerlehrling, dann mit kleinem Ge-
halte angestellt in irgend einem Bureau, er hat nie eine
gelehrte Schule, nie eine Universität besucht, und doch
sind seine Lieder so voll reifer Bildung, so voll Grazie,
so voll Geist und feinster Ironie und von einer solchen
Kunstvollendung und meisterhaften Behandlung der
Sprache, dafs er nicht blofs die Bewunderung von
Frankreich, sondern des ganzen gebildeten Europa ist.
"Denken Sie Sich aber diesen selben Beranger, an-
statt in Paris geboren und in dieser Weltstadt heran-
gekommen, als den Sohn eines armen Schneiders zu
jena oder Weimar und lassen Sie ihn seine Laufbahn
ian gedachten kleinen Orten gleich kümmerlich fortsetzen
und fragen Sie Sich, welche Früchte dieser selbe Baum,
.in einem solchen Boden und in einer solchen Atmosphäre
aufgewachsen, wohl würde getragen haben!
„Als0, ich wiederhole: es kommt claraufan, dafs in
einer Nation viel Geist und tüchtige Bildung in Kurs
sei, wenn ein Talent sich schnell und freudig ent-
wickeln _s0ll.
„Wir bewundern die Tragödien der alten Griechen;
_allein, recht besehen, sollten wir mehr die Zeit und die
Nation bewundern, in der sie möglich waren, als die
einzelnen Verfasser. Denn wenn auch die Stücke unter
sich ein wenig verschieden, und wenn auch der eine
dieser Poeten ein wenig gröfser und vollendeter er-
scheint als der andere, so trägt doch, im grofsen und
ganzen betrachtet, alles nur einen einzigen durch-
W. Bode, Goethes Asthetik. 2I