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Goethes
Ästhetik.
sie mehr, als wünschenswert ist, vor der Mitwelt zu
verschliefsen. „Weder Zeit noch Zustand erlauben ihm,
treffliche Werke, die einflufsreich werden könnten, die
es sei nun auf Produktivität oder auf Kenntnis, auf
That oder Geschichtseinsicht kräftig wirken sollten,
dem Künstler sowie dem Liebhaber öfter vorzulegen
und dadurch eine höhere, freigesinnte, fruchtbare Bildung
zu bezwecken. Sind aber dergleichen Schätze einer
öffentlichen Anstalt einverleibt, sind Männer dabei an-
gestellt, deren Liebe und Leidenschaft es ist, ihre schöne
Pflicht zu erfüllen, die ganz durchdrungen sind von
dem Guten, was man stiften, was man fortpflanzen
wollte, so wird wohl nichts zu wünschen übrig bleibenf")
Aber auch hier wäre die Zentralisation, die Auf-
saugung der Schätze und Vorbilder in wenigen Grofs-
Städten eine gefährliche Verirrung. Goethe meinte?)
"Hauptgrundsatz soll sein, dafs die Kunstwerke und
Altertümer viel verbreitet würden, jede Stadt die ihrigen
behalte und wieder bekomme." „Lafst Düsseldorf
wieder etwas haben, wie es in seinen Sälen aufgestellt
war, wozu Alles in München? Lafst Köln, Bonn, ja
Andernach etwas haben!"
Es ist schon berichtet, clafs Goethe auch durch
jährliche Ausstellungen in Weimar, wobei den Künstlern
bestimmte Aufgaben gestellt waren, ihnen und der Kunst
zu dienen suchte. Er gab diese Ausstellungen nach
einigen ]ahren auf; weil die damalige Richtung der
1) Hemstcrhuis-Galitzinische Gemmcnsammlung.
Boisscröc, 2. August 1815, Biedcrmann III, 182.
Zu