Die
Förderung
der
Kunst.
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im Alterl) und er fuhr fort: „Sind es nicht die einzelnen
Fürstensitze, von denen diese Kultur ausgeht und welche
ihre Träger und Pfleger sind? Gesetzt, wir hätten in
Deutschland seit Jahrhunderten nur die beiden Residenz-
städte Wien und Berlin oder gar nur eine, da möchte
ich doch sehen, wie es um die deutsche Kultur Stände.
Denken Sie an Städte wie Dresden, München,
Stuttgart, Kassel, Braunschweig, Hannover und ähnliche;
denken Sie an die grofsen Lebenselemente, die diese
Städte in sich selber tragen; denken Sie an dieWirkungen,
die von ihnen auf die benachbarten Provinzen ausgehen,
und fragen Sie sich, ob das alles sein würde, wenn sie
nicht seit langen Zeiten die Sitze von Fürsten gewesen."
Eine dieser Städte, Stuttgart, hat Goethe gerade als
Kunststadt aufmerksam betrachtet, als er im September
I 7 97 sich einige Tage dort aufhielt. Er schilderte sie seinem
eigenen Fürsten, der natürlich an anderen Residenzen
besonderen Anteil nahm?) Herzog Karl vonWürttemberg,
meinte Goethe, habe wohl nur zur Befriedigung seiner
augenblicklichen Leidenschaften und zur Realisierung
abwechselnder Phantasieen gewirkt. "Indem er aber
auf Schein, Repräsentation, Effekt arbeitete, so bedurfte
er besonders der Künstler, und indem er nur den
niedern Zweck im Auge hatte, mufste er doch die
höhern befördern. In früherer Zeit begünstigte er das
lYrische Schauspiel und die grofsen Feste, er suchte
SiCh die Meister zu verschaffen, um diese Erscheinungen
in gröfster Vollkommenheit darzustellen. Diese Epoche
ging vorbei, allein es blieb eine Anzahl von Liebhabern
1) 23. Oktober 1828.
Tübingen, 12. September 1797,
W. Bade, Goethes Ästhetik.
5') An Herzog
Wcim. Ausg.
Karl August,
IV, I2, 29.
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2.115