294
Goethes
Ästhetik.
dankbare Publikum der unzureichenden Talentchen.
„Die jungen Herren lernen Verse machen, so wie man
Düten macht," schreibt Goethe an Schiller und er fährt
fort: "das Publikum, besonders das weibliche, liebt
solche hohle Gefä{se,_u1n sein bifschen Herz und Geist
darein spenden zu könnenf")
Und besonders auf die Frauen mag das Epigramm?)
zielen:
"Schüler macht sich der Schwärmer genug und rühret die Menge,
Wenn der vernünftige Mann einzelne Liebende zählt.
Wunderthätige Bilder sind meist nur schlechte Gemälde;
Werke des Geists und der Kunst sind für den Pöbel nicht da."
„Die Weiber, auch die gebildetsten, haben mehr
Appetit als Geschmack," notiert aus Goethes Munde
der etwas gallige Riemer, der allerdings gerade die
Urteile über die Frauen noch versäuert zu haben
scheintß) „Sie möchten lieber alles ankosten, es zieht
sie das Neue an. Sie unterscheiden nicht zwischen
dem, was anzieht, was gefällt, was man billigt; sie werfen
das alles in eine Masse. Was nur nicht gegen ihren
konventionellen Geschmack anstöfst, es mag noch so
hohl, leer, seicht, schlecht sein: es gefallt. Es mifs-
fällt ihnen aber oft etwas, was blofs gegen diese ihre
Konvention anstöfst, sei es an sich noch so vortrefflich."
,Was
Weiber
die
hassen,
und
lieben
Das wollen wir ihnen gelten lassen;
Wenn Sie aber urteilen und meinen,
Da will's oft wunderlich crscheinenf")
1) 14.Juli x7g8.
Januar l 804. Bicdermann I,
Von 1790,
4) Gedichte
3) Zu Riemer,
Zahme Xenien VI.