Die
Dilettanten.
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hatten mit den Kindern zu thun und nahmen keinen
Griffel mehr in die Hand.
„D0ch unsere Dichterinnen," fuhr er seh1' lebhaft
fort, "möchten immer dichten und schreiben, so viel
sie wollten, wenn nur unsere Männer nicht wie die
Weiber schrieben! Aber das ist es, was mir nicht
gefällt. Man sehe doch nur unsere'Zeitschriften und
Taschenbücher, wie das alles so schwach ist und immer
schwächer wird!"
Diesen selben Gedanken, dafs der Dilettantismus
einen Mangel an Männlichkeit verrate, nahm Goethe
sechs Jahre später wieder auf, als er mit Eckermann
Kupferstiche betrachteteÄ) "Es Sind Wirklich gute
Sachen," sagte er, "Sie sehen reine, hübsche Talente,
die was gelernt und die sich Geschmack und Kunst
in bedeutendem Grade angeeignet haben. Allein doch
fehlt diesen Bildern allen etwas und zwar das
Männliche. Merken Sie Sich dieses Wort und unter-
streichen Sie es. Es fehlt den Bildern eine gewisse
zudringliche Kraft, die in früheren Jahrhunderten sich
überall aussprach und die dem jetzigen fehlt, und zwar
nicht blofs in Werken der Malerei, sondern auch in
allen übrigen Künsten. Es lebt ein schwächeres Ge-
Schlecht, von dem sich nicht sagen läfst, 0b es so ist
durch die Zeugung oder durch eine schwächere Er-
ziehung und Nahrung."
Wie in ihren eigenen Arbeiten, so sind die Frauen
auch in der Aufnahme fremder Kunstwerke dilettantisch,
Spielerisch, schwächlich. Namentlich sie bilden das
Eckermann,
12
Februar
1831.