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Goethes
Ästhetik.
wird durch den überhandnehmenden Dilettantismus
profaniert, herumgeschleppt und entivürdigt." Nach
zwei Jahrzehnten der Romantik sprach Goethe zu seinem
vertrauten Freunde Zelterl) noch härter und nun be-
sonders über diesen besonderen Hseichten Dilettantismus,
der in Altertümelei und Vaterländerei einen ütlsclien
Grund, in Frömmelei ein schwächendes Element sucht,
seine Atmosphäre, worin sich vornehme Weiber, halb-
kennende Gönner und unvermögende Versuchler so
gerne begegnen, wo eine hohle Phrasensprache, die
man sich gebildet, so häfslich klingt, ein Äiaximengewand,
das man sich auf den kümmerlichen Leib zugeschnitten
hat, so nobel kleidet, wo man täglich von der Aus-
zehrung genagt, an Unsicherheit kränkelt, und um nur
zu leben und fortzuwebeln, sich aufs schmählichste selbst
belügen mufs . . Dem redlich Einsichtigen bleibt es
gräfslich, eine ganze Generation im Verderben zu sehen."
"Der Baudilettant," so heifst es in der Schrift von
1799 weiter, "verfällt leicht auf sentimentalische und
allegorische Baukunst und sucht den Charakter, den er
in der Schönheit nicht zu linden weil's, auf diesem Wege
hineinzulegen. Baudilettantismus, ohne den schönen
Zweck erfüllen zu können, schadet gewöhnlich dem
physischen Zweck der Baukunst: der Brauchbarkeit
und Bequemlichkeit. Die Publizität und Wahr-
haftigkeit architektonischer Werke macht das Nach-
teilige des Dilettantismus in diesem Fach allgemeiner
und fortdauernder und perpetuiert den falschen Ge-
schmack, weil hier, wie überhaupt in Künsten, das Vor-
handene und überall Verbreitete wieder zum Muster dient."
Brief vom
August
182.9