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Gocth es
Ästhetik.
denn auch das Zeichnen wieder angefangen; die Künstler
belehrten ihn gern, denn er fafste geschwindÄ) Aber
„es ist ganz eigen, dal's man deutlich sehen und wissen
kann, was gut und besser ist; will man sich's aber zu-
eignen, so schwindefs gleichsam unter den Händen".
Aber noch wollte er sich nicht zurückschrecken lassen.
„Man soll nur seine Schwäche einsehen. Linien, die ich
aufs Papier ziehe, oft übereilt, selten richtig, erleichtern
mir jede Vorstellung von sinnlichen Dingen; denn man
erhebt sich ja eher zum Allgemeinen, wenn man die
Gegenstände genauer und schärfer betrachtet. Mit dem
Künstler nur mufs man sich nicht vergleichen, sondern
nach seiner eigenen Art verfahren Ein kleiner
Mann ist auch ein Mann!" Leider wächst der Glaube
an die eigene Begabung nur allzugut. Im Sommer 1787
freut sich Goethe, wie alle Künstler ihm helfen, sein
Talent zuzustutzen und zu erweitern, und dafs er
eine Fähigkeit nach der andern hinzuerivirbtfl) dafs
zum Malen auch schon das Modellieren hinzutritt. Aber
bald kommen unserm ernsten, gegen sich selbst stets
ehrlichen Goethe doch Zweifel an seiner neuen Kunst,
obwohl die Maler sagen, dafs er nur noch längeren
Unterrichts und gröfserer Übung bedürfe. Er ent-
schuldigt sein Zeichnen wieder mehr als ein Bildungs-
mittel, als Hilfe zum Kunsturteil. „Lebhaft vordringende
Geister begnügen sich nicht mit dem Genusse, sie ver-
langen Kenntnis. Diese treibt sie zur Selbstthätigkeit,
und wie es ihr nun auch gelingen möge, so fühlt man
zuletzt, dafs man nichts richtig beurteilt, als was man
1) Ital. Reise, I7. Februar 1787.
Juli, 23. August, 3. September I787.
Ital.
Reise,
Juli,