Dilettanten.
Die
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„Die Kinder machen schon Verse und gehen so
fort und meinen als Jünglinge, sie könnten was, bis sie
zuletzt als Männer zur Einsicht des Vortrefflichen ge-
langen, was da ist, und über die Jahre erschrecken, die
sie in einer falschen, höchst unzulänglichen Bestrebung
verloren haben. Ja, Viele kommen zur Erkenntnis des
Vollendeten und ihrer eigenen Unzulänglichkeit nie und
produzieren Halbheiten bis an ihr Ende. Gewifs ist es,
dafs wenn Jeder üüh genug zum Bewufstsein zu bringen
wäre, wie die Welt von dem Vortrefflichsten so voll
ist und was dazu gehört, diesen Werken etwas Gleiches
an die Seite zu setzen, dafs sodann von jetzigen hundert
dichtenden Jünglingen kaum ein einziger Beharren und
Talent und Mut genug in sich fühlen würde, zur
Erreichung einer ähnlichen Meisterschaft ruhig fort-
zugehen." l)
Ja, von sich selbst sagt Goethe, der doch an seinem
poetischen Genie nie zweifelte, im Jahre 1826, nachdem
er eben vom ßVerther", ,Götz4 und ,Faust' gesprochen:
„Hätte ich aber so deutlich wie jetzt gewufst, wie viel
Vortreffliches seit Jahrhunderten und Jahrtausenden da
ist, ich hätte keine Zeile geschrieben, sondern etwas.
Anderes gethanß?)
Als die eine psychologische Wurzel des grassierenden,
Dilettantisinus betrachtete Goethe die Eitelkeit. Den
Schein, ein hervorragender Feldherr, Regent, Kauf-
mann, Gelehrter, Entdecker und dergleichen zu
sein, eignet man sich nicht so leicht an; wenig aber
Eckermann,
April
1825
Eckermann,
Febr.