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Goethes
Ästhetik.
Wichtigkeit dieser Handlung. Aber inzwischen ist ihm
als Menschen manches Wunderliche begegnet: durch
Lehren und Strafen ist ihm aufgegangen, wie bedenklich
es mit seinem Innern aussehe, und immerfort wird noch
von Lehren und von Übertretungen die Rede sein,
aber die Strafe soll nicht mehr stattliuden. Hier ist
ihm nun in der unendlichen Verworrenheit, in die er
sich bei dem Widerstreit natürlicher und religiöser
Forderungen verwickeln mufs, ein herrliches Auskunfts-
mittel gegeben, seine Thaten und Unthaiten, seine
Gebrechen und seine Zweifel einem würdigen, eigens
dazu bestellten Manne zu vertrauen, der ihn zu be-
ruhigen, zu warnen, zu stärken, durch gleichfalls sym-
bolische Strafen zu ziichtigen und ihn zuletzt durch ein
völliges Auslöschen seiner Schuld zu beseligen und ihui,
rein und abgewaschen, die Tafel seiner Menschheit
wieder zu übergeben weifs. So, durch mehrere sakra-
mentliche Handlungen vorbereitet und rein beruhigt,
kniet er hin, die Hostie zu empfangen, und (lafs das
Geheimnis dieses hohen Aktes noch gesteigert werde,
sieht er den Kelch nur in der Ferne: es ist kein ge-
meines Essen und Trinken, was befriedigt, es ist eine
Himmelsspeise, die nach himmlischem Tranke durstig
macht . Und was nun durch das ganze Leben so
erprobt worden, soll an der Pforte des Todes alle seine
Heilkraft zehenfach bethätigen. Nach einer von Jugend
auf eingeleiteten, zutraulichen Gewohnheit nimmt der
Hinfällige jene symbolischen, deutsamen Versicherungen
mit Inbrunst an . Zum Schlusse werden sodann, da-
mit der ganze Mensch geheiligt sei, auch die Füfse
gesalbt und gesegnet. Sie sollen, selbst bei möglicher
Genesung, einen Widerwillen empfinden, diesen irdischen,