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Goethes
Ästhetik.
der berühmte Dichter plötzlich auch bei ihnen auftauchte.
Es giebt nun aber unruhige Autoren die nicht in der Schub-
lade liegen bleiben wollen, in die man sie bei ihrem
ersten Auftreten gethan, sondern immer wieder neue,
unbefangene Prüfung verlangen. Und Goethe sagt
geradezul):
„Die gröfste Achtung, die ein Autor für sein
Publikum haben kann, ist, dafs er niemals etwas
bringt, was man erwartet, sondern was er selbst, auf
der jedesmaligen Stufe eigner und fremder Bildung, für
recht und nützlich hält."
Auch dafs man ihn immer wieder mit Schiller
verglich, dafs man sich eifrig darüber stritt, wer von
beiden der gröfsere Dichter sei, kam ihm unendlich
thöricht vor. Schon in Rom hatte er die Sorte
Litteratoren kennen gelernt, die ihren bescheidenen
Geist an solchen überflüssigen Disputationen vergeudete?)
"Kaum hatte man von nationaler Dichtung zu sprechen
angefangen und sich über ein und anderen Punkt zu
belehren gesucht, so mufste man unmittelbar und ohne
weiteres die Fragen vernehmen, ob man Ariost oder
Tasso, welchen von beiden man für den gröfsten
Dichter halte. Antwortet man, Gott und der Natur sei
zu danken, dafs sie zwei solche vorzügliche Männer
einer Nation gegönnt, deren jeder uns, nach Zeit und
Umständen, nach Lagen und Empfindungen, die
herrlichsten Augenblicke verliehen, uns beruhigt und
entzückt dies vernünftige Wort liefs niemand gelten.
Nun wurde derjenige, für den man sich entschieden
Maximen
und
Reßexionen.
Reise,
Ital.
Rom,
Mai.