Das
Kritisicrcn.
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sucht, dasjenige vergifst, was man bejahend fördern
könnte und sollte."
Ebensowenig wie die Fremdwörterjäger liebte Goethe
die Nationalisten, die bei Kunstwerken fragten, 0b dies
und das daran auch wohl deutsch sei. Dieselben Leute
-essen und trinken doch auch wohlschmeckende Sachen,
die aus anderen Ländern eingeführt werden. „Lafst
"uns doch vielseitig sein!" ruft Goethe ausß) "Märkische
Rübchen schmecken gut, am besten gemischt mit
Kastanien. Und diese beiden edeln Früchte wachsen
weit auseinander. Erlaubt uns in unseren vermischten
Schriften doch neben den abend- und nordländischen
Formen auch die morgen- und südländischen!"
Eine andere Liebhaberei der Kleinlichen ist das
Vergleichen, ein ganz unnützes Vergleichen. Sie messen
jedes neue Werk an einem früheren desselben Verfassers,
das sie ergriffen zu haben glauben, oder sie messen den
einen Künstler an einem anderen, oder gar die eine
Nation an einer anderen. S0 hat Goethe darunter ge-
litten, dafs man von ihm immer wieder ähnliche Werke
verlangte, als er früher geschrieben hatte. Ebenso wie
die Damen im Badeörtchen böse waren, weil der ernste,
steife Goethe, der achtlos zwischen ihnen hindurch schritt,
nicht dem Bilde entsprach, das sie sich nach seinen
Gedichten von ihm gemacht hatten, so zürnten auch
die Rezensenten, wenn er sie zwang, ihn in eine neue
Rubrik einzutragen; erst recht zürnten natürlich die
Botaniker, Zoologen, Geologen, Optiker u. s. w., als
In
den
Aphorismen.