Volltext: Goethes Ästhetik

Kritisiercn. 
Das 
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Weimar war für Goethe der TheaterdichterAugust v. Kotze- 
bue; viele Ärgerlichkeiten hatte er von ihm gehabt, 
aber gerade deshalb betonte er häufig, dafs dieser 
selbe Kotzebue ein sehr hervorragendes theatralisches 
Talent sei, und er führte seine Stücke ileifsig auf. 
Er verstand es, dafs ein fanatischer Student den ver- 
ächtlich gewordenen Kotzebue ermordetef) aber die 
Brauchbarkeit seiner Stücke hing von ganz anderen 
Dingen als von Kotzebues Privatleben ab. 
Freilich, das grofse Publikum und leider auch mancher 
Kritiker kann Person und Sache nicht trennen, vermischt 
ästhetisches und moralisches Urteil und sitzt tiberhaupt 
ganz unnötiger Weise zu Gericht. "Das Publikum, im 
ganzen genommen, ist nicht fähig, irgend ein Talent zu 
beurteilen; denn die Grundsätze, wonach es geschehen 
kann, werden nicht mit uns geboren, der Zufall über- 
liefert sie nicht, durch Übung und Studium allein können 
wir dazu gelangen. Aber sittliche Handlungen zu be- 
urteilen, dazu giebt jedem sein eigenes Gewissen den 
vollständigsten Mafsstab, und jeder findet es behaglich, 
diesen nicht an sich selbst, sondern an einen andern 
anzulegen. Deshalb sieht man besonders Litteratoren, 
die ihren Gegnern vor dem Publikum schaden wollen, 
ihnen moralische Mängel, Vergehungen, mutmafsliche 
Absichten und wahrscheinliche Folgen ihrer Handlungen 
vorwerfen. Der eigentliche Gesichtspunkt, was einer als 
talentvoller Mann dichtet oder sonst leistet, wird verrückt, 
und man zieht diesen zum Vorteile der Welt und der 
Menschen besonders Begabten vor den allgemeinen 
Eckcrmann, 
Februar 
1831. 
171:
	        
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