Volltext: Goethes Ästhetik

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Goethes 
Ästhetik. 
ich, dal's den meisten die Wissenschaft nur etwas ist, 
insofern sie davon leben, und dafs sie sogar den Irrtum 
vergöttern, wenn sie davon ihre Existenz haben. Und 
in der schönen Litteratur ist es nicht besser. Auch 
dort sind grofse Zwecke und echter Sinn für das Wahre 
und Tüchtige und dessen Verbreitung sehr seltene 
Erscheinungen. Einer hegt und trägt den Andern, weil" 
er von ihm wieder gehegt und getragen wird, und das. 
wahrhaft Grofse ist ihnen widerwärtig, und sie möchten 
es gern aus der Welt schaffen, damit sie selber nur 
etwas zu bedeuten hätten. S0 ist die Masse, und. 
einzelne Hervorragende sind nicht viel besser." 
Dann dachte der alte Dichter an seinen grofsen 
Vorgänger, der mit eisernein Besen den Hof der 
deutschen Litteratur vom Gröbsten gereinigt hatte. 
"Ein Mann wie Lessing thäte uns not. Denn wodurch 
ist dieser so grofs als durch seinen Charakter, durch 
sein Festhalten! So kluge, so gebildete Menschen 
giebt es viele, aber wo ist ein solcher Charakter!" 
Viele sind geistreich genug und voller Kenntnisse, allein. 
sie sind zugleich voller Eitelkeit, und um sich von der- 
kurzsichtigen Masse als witzige Köpfe bewundern zu. 
lassen, haben sie keine Scham und Scheu und ist 
ihnen nichts heilig." 
Der schlechte Charakter offenbart sich am bös- 
artigsten, wenn der Kritiker eines Kunstwerkes das 
Privatleben des Urhebers in sein Urteil hineinzieht und 
vielleicht giftige Andeutungen über den Menschen 
macht, wo doch das Publikum es nur mit einem Buche- 
oder Bilde zu thun hat. Die unsympathischste Person in.
	        
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