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Goethes Ästhetik.
seinen Eigenschaften, sondern nach der Person des Ver-
fassers zu beurteilen. Im Jahre 1797 erschien ein Roman
,Agnes von Lilien"; er war von Karoline v. Wolzogen,
der Sclnvägerin Schillers, verfafst, aber sie hatte sich
auf dem Titel nicht genannt. Irgendwie entstand in
Jena das Gerücht, der Roman sei von Goethe, und auch
Schiller widersprach nicht, da es ihm Spafs machte,
die Wirkungen des Irrtums zu verfolgen. Einige fanden,
Goethe habe nie etwas Besseres geschrieben; Andere
rissen das Buch herunter. Am pikantesten war für
Schiller, dafs Herr und Frau v. Beulwitz den Roman
überschwenglich lobten und später erfahren mufsten,
dafs ihn die erste, durch Scheidung von ihm getrennte
Frau des Herrn v. Beulwitz gedichtet hatte. Ernster
aber war, dafs auch ein solches litterarisches Licht wie
Schlegel ohne weiteres dem falschen Gerüchte glaubte.
"Es wird doch zu arg mit diesem Herrn Friedrich
Schlegel", schreibt Schiller am I7. Mai 1797 an Goethe.
.„S0 hat er kürzlich dem Alexander Humboldt erzählt,
dafs er die Agnes im journal Deutschland rezensiert
habe und zwar sehr hart. jetzt aber, da er höre, sie
sei nicht von Ihnen, so bedaure er, dafs er sie so
streng behandelt habe. Der Laffe meinte also, er
müsse dafür sorgen, dafs Ihr Geschmack sich nicht
"verschlimtnere." Aber was war da zu thun? Goethe
wufste ja schon längst, dafs fast bei allen Urteilen nur
der gute oder der böse Wille gegen die Person waltetß)
und mit einem kräftigen Worte gegen die Fratze des
Parteigeistes wandte er sich (leln Schlusse von seinem
neuesten Gedichte zu.
Goethes
ELII
Antwort
Schiller,
Blai
I797'