Kritisiercn.
Das
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Die Kritik erschien ihm neben der Satire als eine „von
den beiden Erbfeinden alles behaglichen Lebens und
aller heiteren, selbstgenügsamen, lebendigen Dichtkunst",
und er wufste nicht, warum er sich für den damals
berühmten Liskow hätte begeistern sollen, denn was
war damit gewonnen, dafs jener das Alberne albern ge-
funden hatteF") Sehr bald bemerkte er auch, dafs selbst
das klügste Vorwort eines Autors die Kritiklustigen nicht
verhindern kann, an ihn die Forderungen zu stellen,
die er von vornherein erklärt, nicht erfüllen zu wollen.
„Mit einer verwandten Eigenschaft der Leser, die uns
besonders bei denen, welche ihr Urteil drucken lassen,
ganz komisch auffällt, ward ich gleichfalls früh bekannt.
Sie leben nämlich in dem Wahn, man werde, indem man
etwas leistet, ihr Schuldner und bleibe jederzeit noch
weit zurück hinter dem, was sie eigentlich wollten und
wünschten, 0b sie gleich kurz vorher, ehe sie unsere
Arbeit gesehn, noch gar keinen Begriff hatten, tlafs so
etwas vorhanden oder nur möglich sein könntef")
Zeitlebens hat Goethe sich gegen die Kritik feindlich
gestellt, womit er natürlich nicht alles Anzeigen und
Besprechen von Kunstwerken verurteilen wollte. Der
Satz „Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent!"3)
ist ebenso aus seinem Inneren geflossen wie irgend ein
Liebeslied. „Die wahre Liberalität ist Anerkennungml)
ist ein echt goethischer Satz. Schon als ]üngling höhnte
er über die entsetzliche Verbohrtheit, die sich durch das
Kritisieren der Schönheit kund giebt. Er erzählt z. B.,
I) Aus meinem Leben II, 7.
13. Gedichte, Parabolisch,
Reflexionen.
III,
und
2) Aus
Rezensent.
meinem Leben
4) Maximen