um
Schönheit
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herum.
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Schon in Venedig hatte Goethe bewundert, wie das
italienische Volk das Leben in ein Schauspiel zu ver-
wandeln versteht. Da sah er z. B. eine Galeere, deren
einziger Zweck es war, die Häupter der kleinen Republik
am feierlichsten Tage zum Sakrament ihrer hergebrachten
Meerherrschaft zu tragen. 1) Das Schiff war ganz Zierat,
ganz vergoldetes Schnitzwerk, eine wahre Monstranz,
um dem Volke seine Häupter recht herrlich zu zeigen.
„Wissen wir doch, das Volk, wie es gern seine Hüte
schmückt, will auch seine Obern gern prächtig und
geputzt sehen."
Zwei Tage später war der Reisende bei dem Hoch-
amte, dem der Doge jährlich am siebenten Oktober
wegen eines alten Sieges über die Türken in der Kirche
der heiligen Justina beiwohnen mufs. „Wenn an dem
kleinen Platz die vergoldeten Barken landen, die den
Fürsten und einen Teil des Adels bringen, seltsam ge-
kleidete Schiffer sich mit rotbemalten Rudern be-
mühen, am Ufer die Geistlichkeit, die Brüderschaften
mit angezündeten, auf Stangen und tragbare silberne
Leuchter gesteckten Kerzen stehen, drängen, wogen
und warten, dann mit "leppichen beschlagene Brücken
aus den Fahrzeugen ans Land gesteckt werden, zuerst
die langen violetten Kleider der Savj, dann die langen
roten der Senatoren sich auf dem Pflaster entfalten,
zuletzt der Alte, mit goldener phrygischer Mütze ge-
schmückt, im längsten goldenen 'l'alar, mit dem HEIDICllD-
mantel aussteigt, drei Diener sich seiner Schleppe bee
mächtigen, alles auf einem kleinen Platz vor dem Portal
einer Kirche, vor deren Thüren die 'l'ürkenfahnen
Ilal.
Reise
Oktober
1786