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Goethes
Ästhetik.
strebtf") Goethes Sachlichkeit ist der richtige Weg.
Als er acht Wochen in Italien gewesen, schrieb er:
„Ich halte die Augen nur immer offen und drücke mir
die Gegenstände recht ein. Urteilen möchte ich gar
nicht, wenn es nur möglich In Sachen der
bildenden Kunst war fast vier Jahrzehnte hindurch
der Schweizer Heinrich Meyer seine grofse Autorität,
so dafs man wohl behauptete, Goethe urteile über ein
neues plastisches Werk oder ein Gemälde erst, wenn er
des "Kunschtmeyers" Meinung eingeholt habe. Warum
Goethe diesen Freund als Lehrer annahm, lesen wir
aus einem Briefe heraus, den er an Meyer richteteß)
„Dafs Sie durch genaue Beobachtungen des Sinnes,
in welchem die Kunstwerke gemacht sind, die Art, wie,
und das Mittel, wodurch sie gemacht sind, neue und
sichere Quellen des Beschauens und der Erkenntnis er-
öffnen würden, war ich durch Ihre Versuche in Dresden
und durch lhr ganzes Leben und Wesen überzeugt.
Wer in dem immerfort dauernden Streben begriffen ist,
die Sachen in sich und nicht, wie unsere lieben Lands-
leute, sich nur in den Sachen zu sehen, der mufs
immer vorwärts kommen, indem er seine Kenntnis-
fähigkeit vermehrt und mehrere und bessere Dinge in
sich aufnehmen kann." Demselben Freunde ruft er einige
Monate später zu: "Es geht nichts über den Genufs
würdiger Kunstwerke, wenn er nicht auf Vorurteil,
sondern auf wahrer Kenntnis ruht."4)
Einleitung
Oktober 1786.
4) An
66.
in
H.
die Propyläen 1798. 2) Ital. Reise,
S) 3. März 1796, NVcim. Ausg. IV, II,
Meyer, 20. Mai 1796, Weim. Ausg. IV,