212
Goethes
Ästhetik.
der Tafel sitzt.
der auf Beifall
obenan bei
den Dichter,
so gilt
ist, der
Und
erpicht
überall
Rat :
für
„Sprichst du zum Volke, zu Fürsten und Königen, allen
Magst du Geschichten erzählen, worin als wirklich erschcinet,
WVas sie wünschen und was sie selber zu leben bcgehrtenf")
Als Goethe in Italien?) eine Tragödie spielen sah,
iiel es ihm am meisten auf, wie ganz anders die
italienischen Zuschauer die Vorgänge auf der Bühne be-
trachteten. „Ihr Anteil am Schauspiel ist nur als an
einem Wirklichen. Da der Tyrann seinem Sohne das
Schwert reichte und forderte, (lafs dieser seine eigene
gegenüberstehende Gemahlin umbringen sollte, ling das
Volk laut an, sein Mifsvergnügen über diese Zumutung
zu beweisen, und es fehlte nicht viel, so wäre das
Stück unterbrochen worden. Sie verlangten, der Alte
sollte sein Schwert zurücknehmen, wodurch denn frei-
lich die folgenden Situationen des Stücks wären auf-
gehoben worden. Endlich entschlofs sich der bedrängte
Sohn, trat ans Proscenium und bat demütig, sie möchten
sich nur noch einen Augenblick gedulden, die Sache
werde noch ganz nach Wunsch ablaufen."
Gebildete, reife Menschen aber können und sollen
Kunstwerke nicht wie Wirklichkeiten aufnehmen; sie
werden nicht schöne Bilder küssen und nicht den Schau-
spieler, der einen Bösewicht verkörpert, mit häfslichen
Sachen bewerfen. Aber auch sie sollten sich der Kunst,
wie die Jugend und das Volk, mit frischer Empfänglichkeit
Gedichte.
Erste Epistel.
2) Ital.
Reise,
Oktober 1 786.