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Goethes
Ästhetik.
Unser Dichter hatte seinen Spafs an dieser prak-
tischen Ästhetik des alten Engländers, und als er einige
jahre später die hübsche Christiane Vulpius in sein
Haus nahm und sich, unbekümmert um die Welt, mit
seinem Mädchen ein trauliches Stübchen schuC mag
er wohl öfters an Ritter Hamilton und seine Schöne
gedacht haben. Aber viel wichtiger war doch die Ver-
quickung von Schönheitsdienst und täglichem Leben,
die er im gleichen Neapel beim gemeinen Volke fand.
Diese Neapolitaner arbeiteten geniefsend, sie umkleideten
die Prosa des täglichen Lebens vollkommen mit
poetischen Zuthaten, und so konnte der Fremde wohl
"meinen, die Leute gingen beständig ihrem Vergnügen
nach. Dafs ihre Hanrlwerkstechnik gegen diejenige
nordischer Länder zurückstand, dafs Fabriken bei ihnen
nicht entstehen wollten, grämte sie nicht; dafs ihre
Gelehrten und Künstler nicht weltberühmt waren, that
ihnen nicht weh. Sie waren wie frohe Kinder, denen
man etwas aufträgt, die dann zwar ihr Geschäft ver-
richten, aber auch zugleich einen Scherz aus dem
Geschäft machenJ)
„Eine_ ausgezeichnete Fröhlichkeit erblickt man
überall mit dem gröfsten teilnehmenden Vergnügen,"
berichtet Goethe den fernen Freunden.
„Die vielfarbigen bunten Blumen und Früchte, mit
welchen die Natur sich ziert, scheinen den Menschen
einzuladen, sich und alle seine Gerätschaften mit so
hohen Farben als möglich auszuputzen. Seidene Tücher
und Binden, Blumen auf den Hüten schmücken einen
jeden, der es einigermaßen vermag. Stühle und
Ital.
Reise,
und
Mai
1737-