Die
Form.
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grofsartige Leistungen der Maschinenmeister und Bühnen-
maler. Einmal fragte er einen jungen Musiker, welchen
Eindruck die ,De0data' von Kotzebue auf ihn gemacht
habel) Dieser wufste nichts zu antworten, denn da ihn
die Handlung von vornherein nicht gefesselt hatte, so
war seine ganze Aufmerksamkeit auf die Scenerie ge-
richtet gewesen. Er hatte einen vollkommenen Pano-
ramengenufs gehabt. Eine Mondscheinscene im Walde
war von einer Schönheit, dal's der junge Zuschauer über
der Freude am Bilde alles Andere vergafs; die Eroberung
und Verbrennung einer Burg bot die prächtigsten Ge-
mälde. Aber den Inhalt des Schauspiels konnte er
freilich nicht erzählen.
"Ich finde das sehr natürlich," antwortete Goethe,
"aber auch sehr bedauerlich. Die guten Leute bedenken
nicht, wohin die übermäßige äufsere Pracht zuletzt
unausbleiblich führen mufs; das Interesse für den In-
halt wird geschwächt und das Interesse für den äufseren
Sinn an dessen Stelle gesetzt. Doch es wird sicherlich
auch wieder eine Reaktion eintreten Erst müssen
die Dekorationsmaler und Maschinisten dem Publikum
nichts Neues mehr bieten können, das Publikum von
dem Prunk bis zum Ekel iibersättigt sein, dann wird.
man zur Besinnung kommen und das jetzt zurück-
gedrängte Echte wieder hervorgeholt, auch gutes Neues
hinzugeschaffen werdenf")
1) Gespräch mit I. C. Lobe, Mitte Juli 1820. Biedermann
IV, 52_ 1') Dafs Goethe für die technischen Einrichtungen
der Bühne sehr viel Interesse hatte und z. B. über Theater-
Architektur Treffliches geäußert hat, braucht hier nicht aus-
geführt zu werden. Selbst die drehbare Bühne, die wir als
neueste Erfindung kennen, war in seiner Phantasie schon vor-