Die
Form.
203
oder Mehreren vorgelesen werden. Ein Theaterstück
dagegen entsteht erst, wenn das Drama „den Sinn des
Auges mit beschäftigt", wenn es den Bedingungen der
Bühne angepafst ist. Shakespeare kümmerte sich aber
um die theatralische Forrn ebenso wenig wie Goethe,
als er den ,Götz' dichtete. Shakespeare urar kein
Theaterdichter, obwohl er Schauspieler war, obwohl er
Selber einem Theater Vorstand und seine Stücke für
dieses Theater bestimmte. Diese Widersprüche lösen
sich, sobald man sich erinnert, dafs Shakespeares Bühne
etwas ganz Anderes war als unsere heutige, die in der
bekannten raffinierten Weise mit der Wirklichkeit wett-
eifert. Zu Shakespeares Zeiten rief kein Theaterdirektor
den Dichtern zu, dafs sie "Prospekte nicht und nicht
Maschinen" schonen sollten; niemand ermunterte sie:
"Gebraucht das grofs"
Die Sterne dürfet ihr
und klcinc Himmelslicht,
verschwenden;
An YVasscr, Feuer, Felsenwändcn,
An Tier und Vögeln fehlt es nicht!"
Shakespeares Stücke waren vielmehr „höchst inter-
essante Märchen, nur von mehreren Personen erzählt,
die sich, um etwas mehr Eindruck zu machen,
Charakteristisch maskiert hatten, sich, wie es not that,
hin und her bewegten, kamen und gingen, dem Zu-
Schauer jedoch überliefsen, sich auf der öden Bühne
nach Belieben Paradies und Paläste zu imaginieren".
Für die moderne Bühne aus diesen Dramen Theater-
Stücke zu machen, kann man versuchen, und Goethe
hat sich auch sehr darum bemüht; ohne grofse Schwierig-
keiten wird es nie abgehen, Hätte Shakespeare für den
Hof zu Madrid oder für das Theater Ludwigs des
Vierzehnten geschrieben, wie seine grofsen Rivalen