Form.
Die
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vollendet hatte, wünschte er sehr, sogleich ein anderes
Gedicht in Hexametern folgen zu lassen; der Plan war
fertig, der Titel ,Die Jagd" bestimmt. Schiller riet ihm,
statt der Hexameter achtzeilige Stanzen zu wählen.
Eine Weile war Goethe dazu geneigt, dann schien es
ihm, als 0b der ganze Stoff zu einer Ballade zusammen-
schmelzen werde. „Wir wollen abwarten, an welches
Ufer der Genius das Schifflein treibt," schrieb er damals
dem Freunde?) Und er hat ganze dreifsig ]ahre ge-
wartet, und schliefslich formte sich der Stoff zu einer
Novelle, nämlich zu derjenigen, die wir unter dem Titel
,Novelle' kennen.
Aus solchen Erfahrungen kam Goethe nicht etwa zu
der Ansicht, dafs ein Stoff gleich gut auf verschiedene
Weise behandelt werden könne; auch er sah schon, wie
die Dramatisierungen nach beliebten Romanen und Epen
in der Regel verunglückten. Nur eine einzige Form
kann für jeden Stoff die beste sein, aber nicht der
Schulmeister, sondern der Dichter mufs sie wählen.
Als freier Dichter stellte sich Goethe auch der Lehre
von den drei Einheiten im Drama gegenüber, welche
Lehre zu seiner Zeit noch eine gewisse Tyrannei aus-
übte ; auch von ihr hat er uns befreien helfen. Wohl
hat es seinen guten Grund, dal's man von einem
Theaterstück Einheit des Ortes, der Zeit und der
Handlung wünscht, und WO der Dichter es kann, soll
er diesem Wunsche folgen, wie Goethe im ,Tasso' und
in der Jphigenie" es that. Aber wo es den Dichter
und sein Werk zu schwer belastet, da. soll man sich
1) An Schiller, Juni 1797.