IO
Goethes
Ästhetik.
bezwinglichen Kriegsmann und weisen Helden zu
machen; die dritte aber, Aphrodite, sah ihn nur hold-
selig an und versprach ihm nichts als ihre Schönheit.
Und sie hatte leichten Sieg. Mag sein, dafs Paris
thöricht war, aber zu allen Zeiten gab und giebt es
Viele, die, wie der idäische Schäfer, Macht, Gold und
Weisheit neben der Schönheit gering achtenÄ)
Als sich Goethe nach Italien geflüchtet hatte, suchte
er dort bewufst und unbewufst immer nach Leuten, die
sich auf das Leben verstanden. Nach solchen, die
leichter atmeten, fröhlicher in den Tag hinein lebten
und die unsägliche Bitternis, die uns das Schicksal
bietet, schneller überwanden, als er es bisher konnte.
In Neapel schien der englische Gesandte, Ritter
Hamilton, ein weiser Praktiker zu sein. Er hatte in
seinem Leben viel N aturstudiuln und viel Kunststudium ge-
trieben; zuletzt aber hatte er das Studieren aufgegeben,
weil er glaubte, in einem sehr Schönen Mädchen den
Gipfel aller Natur- und Kunstfreude gefunden zu haben.
Es war eine Engländerin von etwa zwanzig Jahren, eine
Mifs Hart, die nun bei ihm wohnte. Er lud Goethen
ein, sie zu sehen, und Tischbein durfte sie malen. „Sie
ist sehr schön und wohlgebaut," schrieb Goethe nach
Weimar, wo Hamiltons Name nicht unbekannt war.
„Er hat ihr ein griechisches Gewand machen lassen,
das sie trefflich kleidet; dazu löst sie ihre Haare auf,
nimmt ein paar Shawls und macht eine Abwechslung
von Stellungen, Gebärden, Mienen u. s. w., dafs man
zuletzt wirklich meint, man träume. Man schaut, was
so viele tausend Künstler gern geleistet hätten, hier
Vgl.
Schriften
Kunst,
über
Über
Polygnots
Gemälde.