Tendenz.
Gehalt und
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Indem Goethe den Künstler verteidigt gegen
andersartige Geister, die ihm Grenzen und Zwecke vor-
schreiben wollen, indem er betont, dafs die Kunst nur
ästhetischen Gesetzen zu gehorchen habe, lehnt er nicht
zugleich ab, dafs sie auch sittlichen Nutzen haben könne.
S0 urteilt er von der Musikf) dafs sie so wenig als
irgend eine Kunst auf Moralität zu Wirken verstehe,
immer sei es falsch, wenn man solche Leistungen von
den Künsten verlange, dazu seien Philosophie und
Religion da; moralische Erweckungen der Pietät und
Pflicht würden die Künste immer nur zufällig veranlassen.
„Was sie aber vermögen und Wirken, das ist eine
Milderung roher Sitten," und hier ist sogar eine Aus-
artung in Weichlichkeit nicht ausgeschlossen. Die
Kunst, namentlich die idealistische, wie Goethe sie
Wünscht, umgiebt uns mit gröfseren Menschen, die eine
edlere Sprache reden als die Wirklichkeit. Als Goethe
in Rom unter antiken Statuen lebte, vortreffliche Ab-
güsse schon erblickend, wenn er morgens die Augen
aufschlug, schrieb er nieder: „All unser Denken und
Sinnen ist von solchen Gestalten begleitet, und es wird
dadurch unmöglich, in Barbarei zurückzufallenfw)
Sein Herzog Alfons3) aber fügt die Umkehrung
hinzu:
vernimmt,
"Und wer der_ Dichtkunst Stimme nicht
Ist ein Barbar, er sei auch, wer er sei."
v
Über diese allgemeine Hebung der Kultur hinaus
haben die meisten Kunstwerke und Bücher auf die
Moral des Publikums sehr wenig Einflufs.
Nachlese zu Aristote]es' Poetik, 1826.
Bericht über April 1783. 3) Tasso V, I.
Ital.
Reise,