Gehalt und
Tendenz.
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für eine sittliche Volkserziehungsanstalt auszugeben, die
dem Staate und der Gesellschaft unmittelbar nutzeJ)
Dadurch werde die alte Gottschedische Mittelmäßigkeit
immer wieder erneuert. Goethe ist denn auch als Theater-
direktor von den Sittlichkeitseiferern belästigt. Als er
das Schauspiel ,Ion' aufführen liefs, dessen Verfasser,
der ältere Schlegel, in Weimar heftige Gegner hatte,
gab es fast einen Skandal. Herders Gattin urteilte?)
„ein schamloseres, frecheres, sittenverderbenderes Stück
ist noch nicht gegeben"; der Gymnasialdirektor Böttiger
wollte in Bertuchs Journal des Luxus und der Modent
eine sehr scharfe Kritik veröffentlichen, und Goethe
konnte sie nur durch die Drohung verhindern, dafs er
bei ihrem Erscheinen die Direktion des Theaters nieder-
legen würde. Bald darauf wurden seine ,Mitschtildigenf
aufgeführt, und da er einer Krankheit wegen nicht
dabei war, liefs er sich von Schiller berichten. „Es ist
zwar hie und da etwas Anstöfsiges gewesen," schrieb
dieser?) "aber die gute Laune, in die das Stück ver-
setzt, hat diese Decenzrücksichten nicht aufkommen
lassen." Goethe aber nahm sich vor, "das, was allen-
falls noch zu direkt gegen die Decenz geht", zu mildern
und zu vertuschen. Und ein paar Tage später liefs er
sich von dem Freunde, der sich auf die Forderungen
des Publikums besser verstand, über ,Rameaus Neffe"
beraten. „Im Punkte der Decenz wufste ich nicht viel
Zu erinnern," antwortete Schillerß) "Allenfalls könnte
man sich bei den unanständigen Worten mit den An-
1) Vgl. auch Aus meinem Leben III, I3, wo
um 1770 geschildert wird. 2) In einem Briefe
Januar 1802. 3) 17. januar 1805. 4) Am 24.
das Theater
an Knebel,
Innuar 1805-