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Ästhetik.
Goethes
wirksam und brauchbar, sie waren in der älteren Dichtung
die ursprüngliche einzige vis comica, und Goethe konnte
sie sich von der Komödie nicht gut entfernt denkenf)
Wenn dergleichen sich für heranwachsende Mädchen
nicht eigne, dann wäre es ja auch nicht notwendig, dafs
die Backfische solche Stücke besuchten. „Was thun
unsere jungen Mädchen im Theaterim, fragte er, als
Eckermann beklagte, dafs man Molieres Stücke nicht
in ihrer ganzen Derbheit und Natürlichkeit auf der
Bühne zu sehen bekomme. "Sie gehören gar nicht
hinein, sie gehören ins Kloster, und das 'l"heater ist blofs
für Männer und Frauen, die mit menschlichen Dingen
bekannt sind. Als Moliere schrieb, waren die Mädchen
im Kloster, und er hatte auf sie gar keine Rücksicht
zu nehmen." Auch gegen G. v. Reinbeck klagte unser
Dichter, dafs das deutsche Publikum zu prüde sei und
nicht recht Spafs verstehe?) Denn dadurch werde
der Bühne ein Gebiet verschlossen, das wenigstens den
Genufs gröfserer Mannigfaltigkeit geben könne, und,
recht behandelt, könne gerade das Groteskkomische
ein Vehikel sein, so manches zur Sprache zu bringen,
was in zarterer Behandlung einen zu ernsten Charakter
gewinne.
Auch in seinem Aufsatz ,Deutsches Theater" beklagt
Goethe deutlich, dafs die Freunde des Theaters, dieser
„de1' höheren Sinnlichkeit eigentlich nur gewidmeten
Anstalt," sich haben verleiten lassen, der Polizei, den
Frommen und den Moralisten gegenüber die Bühne
1) Gespräch mit Wieland 1799, Aufzeichnung
Biedermann I, 198. Vgl. auch v. Müller, 22. März
2) Ende September 1806. Biedcrmann II, 104.
Böttigcrs,
I 824.