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Goethes
Ästhetik.
Kis, der ausging, seines Vaters Eselinnen zu suchen,
und ein Königreich fandf Hieran halte man sich,
Denn im Grunde scheint doch das Ganze nichts Anderes
sagen zu wollen, als dais der Mensch trotz aller Dumm-
heiten und Verwirrungen, von einer höhern Hand ge-
leitet, doch zum glücklichen Ziele gelange."
Aus solchen Äufserungen dürfen wir nicht heraus-
hören, dal's Goethe an poetischen Werken eine Grundidee,
eine beherrschende Lehre oder Tendenz für unerlaubt
hielte. Bei einigen seiner Dichtungen, z. B. bei der
,Novelle', liegt sie ganz offenkundig zu 'l"age, bei
anderen ging er geradezu von der Idee aus und suchte
den Stoff dazu; z. B. wollte er einmal einen Roman
schreiben, um zu zeigen, dafs der Welt oft als Egoismus
erscheine, was in Wahrheit als Meisterschaft zu erklären
sei. Einen ,Mohzunmed' plante er, um seine Beobachtungen
an Lavater und Basedow darin niederzulegen, die Be-
obachtungen nämlich, wie edle Ziele verdorben werden,
wenn ihre Verkünder sich der Welt anpassen und niedere
Mittel brauchenf) Ein andermal dachte er daran,
seinen Gedanken über den Dilettantismus eine poetische
Form zu geben?) Als vollendetes gröfseres Werk, wo
er sich bewufst sei, nach einer durchgreifenden Idee
gearbeitet zu haben, nannte er 1827 seine ,Wahl-
verwandtschaftem, sonst habe er nur in kleinen Ge-
dichten Ideen dargestellt, z. B. in der ,Metamorphose
der Tiereß ,der Pflanzen' und im ,Vern1ächtnis'3)
Aber er war selber der Meinung, dafs durch solche
leitenden Ideen die Kunstwerke zwar für den Verstand
1) Aus meinem
Juni I799- a)
Leben III,
Eckcrmann,
14.
6. Mai
2) Brief
1827.
8.11
Schiller,