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Goethes
Ästhetik.
für
das
Einzelne
Gesetz
ist
und
dem
Einzelnen
seine
Bedeutung giebt.
Luden horchte erfreut auf und äufserte listig, über
die Grundidee der-Dichtung könne freilich der Dichter
am besten Auskunft geben. Aber er sollte enttäuscht
werden, denn Goethe antwortete:
„Mit diesem Aufschlufsgeben wäre die ganze Herr-
lichkeit des Dichters dahin. Der Dichter soll doch
nicht sein eigener Erklärer sein und seine Dichtung in
alltägliche Prosa fein zerlegen; damit würde er aufhören,
Dichter zu sein. Der Dichter stellt seine Schöpfung in
die Welt hinaus; es ist Sache des Lesers, des Ästhetikers,
des Kritikers, zu untersuchen, was er mit seiner Schöpfung
gewollt hat."
Und obwohl das Gespräch über den ,P'aust' lange
dauerte, gelang es Luden nicht, den "Grundgedanken"
herauszulocken. Goethe verwahrte sich nur dagegen,
dafs er nur so ins Blaue hinein gedichtet und sich nur
des Namens „Faust" wie einer Schnur bedient habe,
um die einzelnen Perlen aufzuziehen und vor der
Zerstreuung zu bewahren.
Ein Kunstwerk mufs eine Einheit sein, aber freilich
ist damit nicht gesagt, dafs es nur durch eine Grund-
idee zu einer Einheit werden könne. Der Name "Faust"
wäre höchstens eine Perlenschnur, aber der Charakter
Faust giebt in seinem Verhältnisse zu Welt und Leben
doch schon den Mittelpunkt eines abgerundeten Bildes.
Auch nach der Idee des ,Tasso' fragte man einmal
bei einer "Fischgesellsch-aft in Goethes Hauseß) "Idee P"
rief der Dichter aus, "dafs ich nicht wüfste! Ich hatte
Eckermann,
Mai
1827'