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Goethes
Ästhetik.
für Gemälde und die rechte Behandlung dieses Stoffes
war oft das Thema. Aus eigenem Antrieb schrieb das
Kind einen Aufsatz, wie die Geschichte Josephs in zwölf
Bildern dargestellt werden sollte, und einige dieser
Bilder wurden auch wirklich ausgeführt?)
S0 hat er sein ganzes Leben auf die Wahl des
Stoffes den allergrößten Wert gelegt. Er hielt ihn auch
bei Opern und Operetten durchaus nicht für Neben-
sache. "Soviel ist gewifs," sagte er im Alter zu Ecker-
mannß) „dafs ich eine Oper nur dann mit Freuden ge-
niefsen kann, wenn das Sujet ebenso vollkommen ist
wie die Musik, so dafs beide miteinander gleichen Schritt
gehen. Fragt ihr mich, welche Oper ich gut finde, so
nenne ich euch den ,Wasserträger'; denn hier ist das
Sujet so vollkommen, dafs man es ohne Musik als ein
blofses Stück geben könnte und man es mit Freuden
sehen würde. Diese Wichtigkeit einer guten Unterlage
begreifen entweder die Komponisten nicht, oder es
fehlt ihnen durchaus an Sachverständigen Poeten, die
ihnen mit Bearbeitung guter Gegenstände zur Seite
traten. Wäre der ,Freischütz' kein so gutes Sujet, so
hätte die Musik zu thun gehabt, der Oper den Zulauf
der Menge zu verschaffen, wie es nun der Fall ist, und man
sollte daher dem Herrn Kind auch einige Ehre erzeigen."
Auch den Text der ,Zauberflöte' beurteilte Goethe
freundlicher, als das sonst üblich ist; der Autor habe
doch in hohem Grade die Kunst verstanden, durch
Kontraste zu wirken und grofse theatralische Effekte
herbeizuführenß) und den Eingeweihten werde der
1) Vgl. Aus meinem Leben I,
3) Eckcrmann, I3. April 1823.
Oktober
1828.