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Goethes
Ästhetik.
oft besprochen, und ein Niederschlag aus solchen Ge-
sprächen war es, was wir früher lasen, dafs die Kunst
die höchsten Momente der natürlichen Erscheinungen
üxiere, indem sie das Gesetzliche darin anerkenne, in-
dem sie ferner die Vollkommenheit der zweckmäßigen
Proportion, den Gipfel der Schönheit, die Würde der
Bedeutung, die Höhe der Leidenschaft fixiere.
Über die "Würde der Bedeutung" mufs noch ein
Mehreres gesagt werden. Goethe brauchte das Wort
"bedeutend" noch im eigentlichen Sinne; bedeutende
Gegenstände sind also solche, die etwas bedeuten, die
auf noch gröfsere Dinge hindeuten, als sie auf den
ersten Blick zeigen. Den Künstlern aber ist es eigen,
dafs sie noch mehr als wir andern von solchen
"bedeutenden" Gegenständen, von solchen Sinnbildern
angesprochen werden. Als Goethe 1797 seine Vater-
stadt wieder sah und alles darin objektiv-kühl zu sehen
sich bemühte, fiel ihm auf, dafs gewisse Gegenstände
einen besonderen, gleichsam sentimentalen Eindruck
auf ihn machten, obwohl sie doch für die Welt und auch
für ihn ganz gleichgültig zu sein schienen. Als er sich
diese Gegenstände näher betrachtete, bemerkte er, dafs
sie symbolischen Charakter hatten. „Es sind eminente
Fälle, die als Repräsentanten von vielen andern da-
stehen, eine gewisse Totalität in sich schliefsen, eine
gewisse Reihe fordern, Ähnliches und Fremdes in meinem
Geiste aufregen und so von aufsen wie von innen an
eine gewisse Einheit und Allheit Anspruch mache-n".
So schrieb er an Schillerf) dieser aber meinte, es liege
wohl weniger an den Gegenständen, dafs sie auf Goethe
1) Am I6.
August 1797,
Schillers Antwort ist vom 7.
September.