Lehrjahre.
Dichters
Des
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Wenn dann noch ein Freund seine Arbeit vor dem Drucke
mit las, war er dessen Ratschlägen gern zugänglich.
So fand Schiller, dafs Goethe im ,Wilhelm Meistert seiner
Liebe zum Theater zu sehr nachgegeben habe und des-
halb zu sehr in Einzelheiten gegangen sei. Goethe liefs
sofort die Schere walten und dankte für die „Er-
innerungen wegen des theoretisch praktischen Ge-
wäschesßl)
Ein wichtigerRat für solche Schriftsteller, die leicht und
schnell etwas Gefälliges schreiben können, ist: sich vor
der Zersplitterung zu hüten. Als Eckermann noch nicht
lange in Goethes Nähe war, erhielt er eine Aufforderung,
unter günstigen Bedingungen für ein englisches Journal
monatliche Berichte über die deutsche Litteratur zu
schreiben. Stolz und freudig meldete er es seinem
Meister, aber der nrachte ein saures Gesicht dazu?)
„Ich wollte, Ihre Freunde hätten Sie in Ruhe gelassen!
Was wollen Sie sich mit Dingen befassen, die nicht in
Ihrem Wege liegen?" Und Goethe setzte dem jungen
Freunde auseinander, wie er als litterarischer Bericht-
erstatter gar vielerlei studieren, auch viel Geringes kennen
lernen müsse. „Sie müssen zurückgehen und sehen, was
die Schlegel gewollt und geleistet, und dann alle neuesten
Autoren: Franz Horn, Hoffmann, Clauren u. s. w., alle
müssen Sie lesen. Und das ist nicht genug. Auch
alle Zeitschriften, vom ,M0rgenblatt' bis zur ,Abend-
zeitung" müssen Sie halten, damit Sie von allem Neu-
hervortretenden sogleich in Kenntnis sind, und damit
Schiller,
Goethe an
Dezember 1824.
Juni
1795'
Eckermann,