Des
Dichte
Lehrjahre.
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zu verstehen. Schiller war hierin besonders grofs. Ich
sah ihn einmal bei Gelegenheit seines ,Musenal1nanachs'
ein pompöses Gedicht von zweiundzwanzig Strophen
auf sieben reduzieren, und zwar hatte das Produkt
durch diese furchtbare Operation keineswegs verloren,
vielmehr enthielten diese sieben Strophen noch alle
guten und wirksamen Gedanken jener zweiuntlzwanzig."
Auch der Autor selbst soll "feilen". Freilich konnte
sich Goethe über den Herrn v. Haxthausen in Köln
ärgern, der viele neugriechische Lieder übersetzt hatte,
sich aber immer nicht entschliefsen konnte, sie heraus!
"zugeben. „Nichts ist verderblicher, als sich immer
feilen und bessern zu wollen, nie zum Abschlufs kommen;
das hindert alle Produktionf") "Wer mit seinen
Produktionen stets zufrieden ist, wird nicht weit kommen.
Allein, man kann auch zu weit gehen und durch höhere
Forderungen an sich, als man im Augenblick praktisch
zu erfüllen die Kraft hat, den schaffenden Geist
ängstlich machenfz?) Aber Goethe verlangte doch sorg-
fältige Arbeit. Er mufste in dieser Hinsicht Wieland
bewundernß)
„Denn dal's er alles mit eigener Hand und sehr schön
schrieb, zugleich mit Freiheit und Besonnenheit, dafs
er das Geschriebene immer vor Augen hatte, sorgfältig
prüfte, veränderte, besserte, unverdrossen bildete und
umbildete, ja nicht müde ward, Werke von Umfang
wiederholt abzuschreiben, dieses gab seinen Produktionen
das Zarte, Zierliche, Fafsliche, das Natürlich-Elegante,
welches nicht durch Bemühung, sondern durch heitere,
1) Am 31. März 1823 zu v. Müller und Riemer, Bicder-I
mann IV, 221. 2) Zu J. C. Lobe 1820. 3) Gedächtnis-
rede auf Wieland 1813.