Des Dichters
Lehrjahre.
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friedener. Ich bin gewifs, wenn es einem improvisieren-
den Talent wie Wolff gelänge, das Leben grofser
Städte wie Rom, Neapel, Wien, Hamburg und London
mit aller treffenden Wahrheit zu schildern und so
lebendig, dafs sie glaubten, es mit eigenen Augen zu
sehen, er würde alles entzücken und hinreifsen. Wenn
er zum Objektiven durchbricht, so ist er geborgen; es
liegt in ihm, denn er ist nicht ohne Phantasie.
Nur mufs er sich schnell entschliefsen und es zu er-
greifen wagen."
Das that Wolff, der durch Goethes Gunst zuerst
Gyinnasialprofessor in Weimar und nachher Universitäts-
professor Ain Jena wurde, dann freilich nicht; er blieb
bei der bequemeren Art, die schneller fertig wird, und
ist denn auch heute trotz der vielen Bücher, die seinen
Namen tragen, vergessen.
Auch an Egon Ebert, der als Dichter von vornherein
höher stand, tadelte Goethe denselben Grundfehler.
Zwar das, was er aus eigener Anschauung kannte:
böhmische Landschaft, Sonnenuntergang und dergl.
schilderte er vortrefflich, aber das Historische und
Sagenhafte blieb verschwommen. Er vermied das
spezielle Wahre aus Furcht, es sei prosaisch, und
suchte nach dem, was für "romantisch" und "poetisch"
galt. Goethes Meinung') war:
„Egon Ebert hätte sich sollen an die Überlieferung
der Chronik halten, da hätte aus seinem Gedicht etwas
werden können. Wenn ich bedenke, wie Schiller die
Überlieferung studierte, was er sich für Mühe mit der
Schweiz gab, als er seinen ,Tell' schrieb, und wie
Eckermann,
April
1829-