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Ästhetik.
Goethes
„Man spricht immer vom Studium der Alten; allein
was will das anders sagen als: Richte dich auf die
wirkliche Welt und suche sie auszusprechen; denn das
thaten die Alten auch, da sie lebten."
Ähnliches hatte er am Tage vorher es war im
Januar 1826 dem Dichter Wolff aus Hamburg gesagt,
dem zweiten oder dritten Deutschen, der als dichtender
Improvisator reiste. In Weimar hatte er seine Kunst
öffentlich gezeigt, er war aber auch zu Goethe ins
Haus gegangen, um sich prüfen zu lassen und Rat zu
empfangen. Goethe gab ihm als Aufgabe: seine Rück-
kehr nach Hamburg, und Wolff fing sogleich in wohl-
klingenden Versen zu reden an. Der alte Dichter mufste
ihn bewundern, aber er konnte ihn nicht loben. Denn
nicht die Rückkehr nach Hamburg schilderte der vers-
gewandte junge Mann, sondern nur die Empfindungen
eines Sohnes, der zu Eltern, Anverwandten und Freunden
heim kommt, und sein Gedicht pafste ebensogut für
eine Rückkehr nach Merseburg oder Jena. Da zeigte
ihm dann Goethe, obwohl er selber nie nach Hamburg
gekommen war, was Hamburg für eine ganz be-
sondere Stadt ist, welch' reiches Feld für einzigartige
Schilderungen sie bietet. Am andern Tage erzählte
ihm Eckermann, Wolff sei von der Lektion ganz ent-
zückt, er rechne eine neue Epoche von dieser Stunde,
denn Goethe habe den Nagel auf den Kopf getroffen
und ihn auf eine ganz neue Bahn gebracht. Aber,
meinteEckermann, das Publikum sei doch auch an der sub-
jektiven Richtung schuld, da es allen Gefühlssachen so
entschiedenen Beifall schenke.
"Mag sein," antwortete
dem Publikum das Bessere
Goethe, „a11ein wenn man
giebt, so ist es noch zu-