Des
Lehrjahre.
Dichters
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lernen wollen, unserer Natur geirräfs sei. So hat z. B-
Calderon, so grofs er ist und so sehr ich ihn bewundere,
auf mich gar keinen Einflufs gehabt, weder im Guten
noch im Schlimmen. Schillern aber wäre er gefährlich
gewesen; er wäre an ihm irre geworden, und es ist
daher ein Glück, dafs Calderon erst nach seinem Tode
in Deutschland in allgemeine Aufnahme gekommen.
Calcleron ist unendlich grols im Technischen und
Theatralischen, Schiller dagegen weit tüchtiger, ernster
und gröfser im Wollen, und es wäre daher schade ge-
wesen, von solchen Tugenden vielleicht etwas einzubüfsen,
ohne doch die Gröfse Calderons in anderer Hinsicht zu
erreichen."
Als
m erkte
von Claude Lorrain
Goethe :
einmal
die
Rede
„Wer ein ähnliches Gemüt hätte, würde ohne Frage
sich an Claude Lorrain auf das trefflichste entwickeln.
Allein wen die Natur mit ähnlichen Gaben der Seele
im Stich gelassen, würde diesem Meister höchstens nur
Einzelheiten absehen und sich deren nur als Phrase be-
dienen."
Das trifft natürlich auf Dichter so gut zu wie auf
Maler. S0 warnt er einmal vor dem gröfsten Dramatiker;
"Shakespeare ist für aufkeimende Talente gefährlich
zu lesen; er nötigt sie, ihn zu reproduzieren, und sie
bilden sich ein, sich selbst zu produzierenf") Hätte
er einige Jahrzehnte länger gelebt, so würde er vielleicht
Heinrich Heine als einen noch viel gefährlicheren Er-
wecker von Reproduktionen genannt haben.
1) Eckermann,
Reflexionen.
April
1329"
Maximen
und