Dichters
Des
Lehrj uhre.
123
Wenn man diese kleinen Kunstgriffe weifs, ist vieles
ein Spiel, was nach wunder was aussiehtf").
Schon in einer Rezension des dreiundzwanzigjährigen
Goethe lesen wir den Ausruf: „Gott gebe jedem An-
fänger einen rechten Meister-W?) Weil es daran aber
oft fehlen wird, so wünschte er weiter, es möchten doch
Künstler und Liebhaber ihre wichtigsten Erfahrungen
für solche Anfänger bekannt geben. Als er doppelt so
alt war, wiederholt er denselben Wunsch, dal's doch
unsere vorzüglichsten Schriftsteller diejenigen Momente
mitteilen sollten, die zu ihrer Bildung am meisten bei-
getragen, und auch diejenigen, die ihnen am schädlichsten
im Wege standenß) Und ein jahr vor seinem Tode
sprach er noch bitter von den Romantikern, weil sie
die Jugend in dem bequemen Glauben bestärkten,
in der Kunst brauche man nicht zu lernenß) „Die
Lehre war: der Künstler brauche vorzüglich Frömmig-
keit und Genie, um es den Besten gleichzuthun. Eine
solche Lehre war sehr einschmeichelnd, und man er-
griff sie mit beiden Händen. Denn, um fromm zu sein,
brauchte man nichts zu lernen, und das eigene Genie
brachte jeder schon von seiner Frau Mutter."
Oft hat Goethe über die unsinnige Wertschätzung
der "Originalität" gescholten, denn die sogenannte
"Originalität ist mit dem Nichts-gelernt-haben oft recht
nahe verwandt. Auch in seiner Umgebung rühmte man
zuweilen einen Künstler, weil er alles aus sich habeß)
1) lml. Reise, 8. Dezember 1787. 2) Die schönen Künste
von G. Sulzer, besprochen in den Frankf. gelehrten An-
zeigen. 3) Litterarischer Sansculottismus. 1795. 4) Ecker-
mann, 22. März 1831. 5) Vgl. Eckcrmann, I. April 1831.