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Goethes
Ästhetik.
pathologische Stellen nennen, indem er sie
solchen Tagen geschrieben hat, wo es ihm
fehlte, um die rechten und wahren Motive
möchte ich
nämlich an
an Kräften
zu linden."
In jungen Jahren war auch Goethe dem Weine bei
der poetischen Produktion nicht gerade aus dem Wege
gegangen. In der Epoche zwischen Strafsburg und
Weimar schrieb er "zwar gewöhnlich seine Dichtungen
zur frühesten Tageszeit auf, "aber auch abends, ja
tief in die Nacht, wenn Wein und Geselligkeit die Lebens-
geister erhöhten", konnte man von ihm fordern, was
man wollte. Den Scherz ,Götter, Helden und Wieland"
schrieb er eines Sonntagnachmittags bei einer Flasche
guten Burgunders in einer Sitzung niederJ) Bei den
minder übermiitigen Dichtungen der reiferen ]ahre hat
er die Mitarbeit des Weines ausgeschlossen.
Bemerkenswert ist, dal's Goethe die Vorschrift der
Mäfsigkeit auch auf den Stand und die Besitzverhältnisse
des Dichters übertrug und die mittleren Verhältnisse
für die besten erklärte. Von seinem englischen Lieb-
linge urteilte erz?)
„Der hohe Stand als englischer Peer war Byron sehr
nachteilig; denn jedes Talent ist durch die Aufsenwelt
geniert, geschweige eins bei so hoher Geburt und so
grofsem Vermögen. Ein gewisser mittler Zustand ist
dem Talent bei weitem zuträglicher; weshalb wir denn
auch alle grofsen Künstler und Poeten in den mittlern
Ständen finden. Byrons Hang zum Unbegrenzten hätte
1) Aus meinem Leben III,
182 5.
2) Eckermann,
Februar