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Rafaellv
Brief
G71.
seinen
Oh einz.
mich im Gegenlheil über Euch zu beklagen hätte, der Ihr
den ganzen Tag die Feder in der Hand habt und sechs Mo-
nate von einem Brief zum andern verstreichen lasst. Tlrolz
alledem werdet Ihr mich nicht zum Zürnen mit Euch ver-
leiten, wie Ihr es ungerechterweise mit mir thut.
Ich bin ganz von unserm Gegenstandc, eine Frau zu
nehmen, abgekommen, um aber wieder darauf zurückzukom-
men, erwidere ich Euch, dass Ihr wissen müsst, dass der
(Cardinal) Santa Maria in Portico mir eine seiner Ver-
wandtinnen gehen will und ich mit der Einwilligung des
Oheims (des Priesters D. Bartolomco Santi) und der Eurigen
Seiner hochwürdigen Herrlichkeit versprochen habe, zu lhun,
was er will. Mein Wort kann ich nicht zurücknehmen und sind
wir jetzt dem Abschluss näher als jemals und sogleich werde
ich Euch von allem Nachricht geben. Ereifert Euch nicht
(habiate patienza), bis diese Sache sich so zum Guten löst;
wenn aber jenes nicht geschieht, werde ich Das thun, was
Ihr wollt. Wisst übrigens, dass, wenn Francisco ßulia
Partien hat, ich ihrer auch habe und in Rom ein schönes
Mädchen haben könnte, von bestem Ruf, wie ich höre, sie
und die Ihrigen, welche mir 3000 Scudi in Gold als Mitgift
geben wollen; und ich wohne in Rom in einem Haus, das
hier hundert Dukaten mehr werth ist, als dort zwei hundert,
davon könnt Ihr überzeugt sein.
Was meinen Aufenthalt in Rom anbelangt, so kann ich
aus Liebe zum Bau der Peterskirche niemals wieder auf län-
gere Zeit an einem andern Orte wohnen, indem ich bei dem-
selben jetzt die Stelle des Bralnante habe 1). Aber welcher
Ürt der Welt ist würdiger als Rom? Welches Unternehmen
1) Über den Todestag des Bramante erhalten wir eine genaue
Angabe durch den Brief des Baldassare Turini an Lorenzo de" Me-
dici, wo es heisst: „Romae die XII Max-t. hora IIII noctis 1514,
M0 Bramante mori hiermattina; et fra. Mariano nro ha havuto il
loco suo." (Das Uflizio del Piombo. Für Fra Mariano Fetti malte
Fra Bartolomeo die zwei Bilder der Apostel Petrus und Paulus,
welche Rafael vollendete, da sein Freund das Klima von Rom nicht
vertragen konnte, und die sich jetzt. im Palast des Quirixxals be-
finden.)