Die
Schule
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Athen.
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tischen zum Skepticismns, im Praktischen zum Stßicisynus sich
hinneigend, überhaupt nur eine wahrscheinliche Erkenntniss
statnirte und, wegen der YVidersprechlichkeit der Gründe,
eine jede unbedingte Zustimmung glaubte zurückhalten zu
müssen. Erkennen wir dann in dem in einen Mantel ge-
hültten, mit einem Stab herbeikomniendeii Philosophen einen
jener spätern von Lucian verspotteten Cyniker, welche mit
Stab und Sack das Land durchzogen, dann ist auch anzu-
nehmen, dass in dem davoneilenden Jüngling Rafael sinnbild-
lich das Erlöschen der schöpferischen griechischen Philosophie
bezeichnete, zugleich aber auch das Hinwenden zu den Wis-
senschaften der lilathematik, nach deren Lehrer im Vorder-
grunde rechts er auch den Blick richtet.
Diese Gruppe haben wir jetzt näher zu betrachten.
Sie nimmt den Platz gegenüber Pythagoras ein, der die
speculative Mathematik repräsentirt, während sie die prak-
tische, die hauptsächlich den Erfahrungswissenschaftcn zuge-
wandt ist. Diese beginnen hier mit dem Unterricht in der
Geometrie, den ein Lehrer mehreren Jünglingen ertlleilt, in-
dem er, zur Erde gebeugt, die auf eine Tafel gezeichnete
isagonische Figur mit einem Zirkel demonstrirt. Rafael hat
in ihm das Bildniss des Bramante, seines Lehrers in der
Architektur, verewigt. Ob er aber durch denselben Archi-
med, den berühmten Mechaniker, wie gewöhnlich angenom-
mcn wird, oder Euklid aus Alexandrien, den grössten Mathe-
matiker des Alterthums, habe bezeichnen wollen, ist jetzt
schwer zu entscheiden 1); doch ist die letztere Annahme die
1) ln einem Epigramm des Cenobiteu Paul Volzius, welches
er an Georg Reisch, Karthäuserprior bei Freiburg im B., gerichtet,
und dieser in seinem damals sehr verbreiteten Buche "Margarita phi-
losophica", Frihurgi 1503, 4., mitgetheilt hat, helsst es unter Anderm:
"Mensor et terrae Archimedes probatus", wodurch Archimedes als
Repräsentant der Erdmesskunst bezeichnet wird. Allein in dem
Werke selbst wird bei der Mathematik Euklid als der Fürst dieser
Disciplin angesehen. Wie sehr derselbe auch zu jener Zeit i"
Italien gekannt und hoch geschätzt war, bezeugen des Luca Pfwcivlo
dal Borgo "Illterpretazione di Euclide", worüber er In Velledlg
Vbrträge gehalten, denen auch Fra Giocondo, ein Conege Rafael?
am Bau von St. Peter, beigewohnt hatte. Zu der Benennung Ar-