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Dem Rafael zugeschriebene
Gemälde.
Schüler entweder aus Ehrfurcht für des Meisters Werk,
oder aus Mangel an Sinn für Composition, nicht beigefügt
wurde. Der starke Ton des Bildes hat etwas nachgedun-
kelt; die Behandlung der Landschaft erinnert an die der
Niederländer. Obgleich einige Gewandtheile gelitten haben,
so sind doch die Haupttheile, besonders die Köpfe gut er-
halten und von einem wahrhaft Rafaelischen Ausdruck, von
dem alle bis jetzt nach dem Bilde erschienene Kupferstiche
keinen richtigen Begriff geben.
Von der Herkunft dieses Bildes weiss man "m- mit
Gewissheit, dass der heilige Carlo Borromeo, am Q3. Sep-
tember 1565 von Rom nach Mailand zurüekkehrend, es mit
sich brachte. Wahrscheinlich erhielt er es von Guidubaldo II,
Herzog von Urbino, als er im_Jahr 1560 die 'l'rauung des
Federico Grafen Borromeo, Oberbefehlshaber der päpstli-
chen Truppen, mit Virginia, Tochter des Herzogs Guidu-
baldo, vollzog. In seinem am 9. November 1576 ausgestell-
ten Testamente vermachte er es mit seinen andern Kunst-
sachen an seinen beständigen Begleiter Lodovico Moneta,
mit dem mündlichen Befehl, es zu verkaufen und das dar-
aus gelöste Geld seinem Universalerben, dem grossen Hos-
pital in Mailand zuzustellen. Nach des Erzbischofs am 3.
November 1584 erfolgtem Ilinscheiden erstand es der Vor-
steher der Kirche S. Maria presso S. Celso in Mailand um
300 Scudi, und hängte es mit andern Kunstschätzen in die
zweite Sacristei der Kirche auf Als Kaiser Joseph ll
noch als Kronprinz und Mitregent zum erstenmal Italien
besuchte, gefiel ihm das Gemälde so sehr, dass er den
Vorstehern der Kirche den Antrag machte, es für die kai-
serliche Gemäldesammlung abzulassen , worauf diese es
durch den bevgllmächtigten Minister in der Lombardei, Karl
Grafen von Firmian, im Jahr 1779 ihren Majestäten über-
reichen liessen. Die Kaiserin Maria 'I'heresia stiftete dage-
1) Siehe Historia dell' antichitä di Milano. Venezia 1592. 4.
p. 388 und den Bericht über RafaeVs Werke in der k. k. Gemälde-
gailerie von Albrecht KniHt. Österreichische Zeitschrift für Ge-
schichts- und Staatskunde 1835 N. 47 und 48.