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Bildnisse
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menden aufs Beste zu empfangen, auch den Geringsten au-
zuhören, keinen im Zorn oder Unwillen, sondern immer
heiter und wo möglich befriedigt zu entlassen; seinen ei-
genen Zorn, auch den heftigsten, in der Brust zu zügeln
und zu verschliessen (einigemal wohl auch gelegentlich sich
dessen zu erinnern); Bittenden nichts zu verweigern, sein
Geld reichlich auszustreuen, und es so gering zu achten,
dass, obwohl er verbannt und nicht reich war, er doch
niemals bei Papstwahlen sich bestechen liess; kurz, er
strebte, nur danach, für den Mildesten und Liebreiehsten
gehalten zu werden, wodurch er denn auch bald die Her-
zen der Väter und der neuen Curie erwarb. In schönen
Künsten war er nicht unerfahren, aber mit vorzüglichem
und anhaltendem Eifer trieb er llrlusik, und brachte viele
Zeit seines Lebens damit zu, Andere zu hören, auch mit-
unter selbst zu singen." Nun folgt kurz sein politisches
und Kriegsleben, dann seine Tugenden als Papst, sein sorg-
fältiges Ausfragen der Leute, die ihm bei seinen Jagden
oder sonst begegneten, wo seine Milde gegen Arme, seine
stete Humanität gerühmt wird. Denn seit seiner Erhöhung
vergass er nicht seine früheren Freunde, wenn gleich er
nicht allen nach ihrer Erwartung genügen konnte. Dieses
sah Ariosto wohl ein, der ihn in Rom besuchte, vom Papst
sogleich erkannt, aufgehoben und geküsst wurde. Allein in
seinen Ilüflilllillgffll getäuscht, ersann Ariosto eine schöne
Erzählung zu des Papstes Entschuldigung, worin man
gleichwohl das gereizte Dichtergemüth erkennt. (Siehe
Roscoe III p. Q4). Den Musiklehrern gab Leo X grosse
Gehalte, ja manchmal war er darin verschwendrisch, und über-
liess ihnen selbst einträgliche Pfründen. So dem spanischen
Sänger Gabriele Merino das Erzbistlnlln Bari und dem Mu-
siker Francesco Paolosa ein Arehidiaconat. Die Musik aber
bezauberte ihn oft so, dass er ganz hinzusinken und ausser
sich zu kommen schien. Die Jagd liebte er leidenschaftlich
und hielt sich deshalb oft in hlagliana und Viterbo auf.
Sein Urtheil über Geisteswerke war scharf und richtig;
wenn ihm während der Mahlzeit Gedichte überreicht wur-
den, vergass er Pissen und 'l'rinkei1 und las in Einem fort.