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Rafaefs
Lehrer.
Der erste ist Luca Siguorelli, welcher im Juni 1494 eine
Kirchenfahne mit der Kreuzigung Christi auf der einen Seite
und der Ausgiessung des heiligen Geistes auf der andern,
für die Kirche S. Spirito zu Urbino uin zwölf Gulden aus-
iührte, welche Darstellungen noch jetzt als gesonderte Bil-
der daselbst aufbewahrt werden. Als Beweis, dass Rafael
von ihm Unterricht erhalten habe, hat Wicar das kleine
Bild einer h. Familie angeführt (Maria mit dem stehenden
Christkinde und Joseph, in halben Figuren), welches sich
-in der Sammlung des Uardinals Fesch in Rom befindet.
Es ist in Tempera sehr praktisch ausgeführt und erinnert
durch die etwas stark gewendete Stellung des Chrislkindes
entfernt an Signcrelli, ist aber zu schlecht, um diesem
Meister zugeschrieben werden zu können. Eher dürfte es
von einem seiner Schüler, vielleicht von Girolamo Genga,
herrühren. Warum aber Wiear hier grade auf Rafael ge-
rathen, von dessen Schönheitssinn auch nicht das Ge-
ringste darin zu verspüren ist, scheint unerklärlich, um so
mehr als Signorelli schon vor dem Tode des Giovanni Santi
Urbino wieder verlassen hatte.
Der andere tüchtige Maler, welcher um diese Zeit
sich daselbst aufhielt, war Timoteo Viti, der im Jahr III-Ski
aus der Werkstätte des Francesco Francia zu Bologna mit
dessen herzlichem Segen nach Urbino zurückgekehrt i),
sogleich als ein Maler von Talent Aufträge für die Kirchen
seiner Vaterstadt erhalten hatte. Nun befindet sich in der
Gallerie Borghese in Rom das Bildniss eines etwa zwölf-
jährigen Knaben 3) im Ausdrucke jugendlichernsler, lie-
benswiirdiger TK-euherzigkeit und innerer F ülle, das in der
That Ähnlichkeit mit Rafael hat und von Einigen als von
Timoteo Viti ausgeführt gehalten wird. Da das Bildchen
1) In Puligileonfs Elogio storico di RaiTaello Santi p. 13.
2) S. Felsipa Pittrice II. p. 45 aus der Hauschronik des Fran-
cesco Francia: 1495 a di Aprile partito il mio caro 'I'imote0, ehe
dio le dia ogni bene e fortulma.
von F.
8) Lithographirt
Rehberg.