Giovanni's
TVerke.
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Altars erhielt Meister Giovaxini den Auftrag, eine grosse Ta-
fel zu fertigen. In ihr erblicken wir die h. Jungfrau in
einer 'l'hronnische sitzend, mit dem Christkinde auf dem
Schoose und dessen Köpfchen mit der Rechten Unter-
stützend. Links steht der h. Crescentius, eine jugendliche
Gestalt in Rüstung, mit einer goldnen, mit Edelsteinen reich
besetzten Kette geschmückt und den Helm zu seinen Füssen,
an dem die darauf gesteckte Pfauenfeder so frisch und
naturgetreu dargestellt ist, als sei sie eben erst aus dem
Schweif des prachtvollen Vogels gezogen worden. Neben
ilnn steht der h. Franciscus mit einem Cruciiix in der Hand,
ganz in brünstig anbetender Betrachtung des Jesuskindes
vertieft, und hinter ihnen sehen zwei anbetende halb er-
wachsene Engel hervor, von denen einer mit Rafael eine
überraschende Ähnlichkeit hat. Da dieser aber damals erst
ein Knabe im Alter von sechs Jahren war, im Bilde dage-
gen wenigstens als 12 Jahre alt erscheint, so hat hier Va-
ter Giovanni, das Bild seines reiferen Sohnes im Geiste
tragend, ihn im Ideale vorgebildet. Übrigens wurde schon
früher darauf hingedeutet, wie besonders die Kinderköpf-
chen in des Giovanni Bildern, wie auch in gegenwärtigem,
bereits ganzin Bildung und Ausdruck denen ähnlich sind,
welche wir, nur vollendeter und lebendiger, in Rafaefs Wer-
ken so sehr bewundern.
Wir kommen nach dieser kleinen Abschweifung auf die'
Beschreibung der Altartafel zurück. Rechts von der Maria
steht in Cardinalskleidung S. Hieronymus, in einem Buche
lesend, und neben ihm der Abt Antonius, dessen greises,
würdiges Haupt Ehrfurcht gebietet. Hinter diesen Heiligen
stehen wiederzwei anbetende Engel, und vorn kniet im
Profil gesehu, in stählerncr Rüstung Graf Carolo Oliva, eine
interessante Portraitiigirr, die indessen, was die Stärke des
Charakters anbelangt, hinter dessen Marmorbüste in dersel-
ben Capelle zurücksteht. Zu beiden Seiten der Thron-
nische schliesscn sich Marmorwände an, über welche acht
1) Die Pfauenfeder war ein Abzeichen der Partei der Ghibelli-
11611: zu Welcher, wie es hier scheint, auch Graf Oliva gehörte-