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in
Maler
Urbino.
IVLII. LAVRENTIVS. 1m. SANTO. snvnnnvo. ET. mcosvs. rnxrnn.
EIVS. HOC. orvs. FECERVNT.
Dass Lorenzo der vorzüglichere unter den Brüdern war,
ergibt sich gleichfalls aus einem Altarblatt in der Sacristei der
Kirche S. Lucia zu Fabriano mit der Inschrift: LAVRENTIVS, n.
SEVERINAS. iisrr. Auf Goldgrund ist hier eine Madonna mit
dem Christkind auf dem Schoose dargestellt, welches der vor
ihr knienden h. Katharina von Siena einen Ring an den Fin-
ger steckt. Hinter ihr steht bewundernd der h, Dominicus
und rechts der h. Bischof Antonius von Florenz, mit dem bei
ihm knienden seeligen Constanzo. Diese himmlische Scene
umgibt nach oben ein Chor musicirender Englein, während
auf den Stufen des Thrones einige Früchte als Symbole irdi-
scher Freuden liegen. Die dunkel umrissenen Conturen sind
zwar nicht immer correct in der Zeichnung, noch ausgebildet
und schön in der Form, allein die Charaktere voll Ausdruck
und lebendig, daher ansprechend.
Eine Arbeit der Brüder San Seyerino dürften auch die
Frescomalereien in der Seitencapelle, oder vielmehr der alten
Kirche S. Nicolö da Tolentino in Tolentino sein, worin die
Geschichte des hochverehrten Heiligen dargestellt ist. Lei-
der haben diese Malereien sehr gelitten und sind übermalt;
nur die Evangelisten und die vier Kirchenvater im Gewölbe sind
einigermassen erhalten. Da indessen bis jetzt noch keine Auf-
schluss gebende Documente darüber bekannt sind, so soll diese
Angabe nur als eine Vermuthung ausgesprochen sein, die sich
auf eine gewisse Übereinstimmung mit den Malereien im Ora-
torium zu Urbino stützt.
7. Gentile da Fabriano malte zu Anfang bis ge-
gen die Mitte des 15. Jahrhunderts wie in Venedig, Florenz
und Rom, so auch mehreres im Urbinischen, namentlich in
1) Der marmorne Altar über dem Grab des heiligen Nicolo da
Tolentino ist hohl und hat an entgegengesetzten Enden weite
runde Öffnungen; durch diese kriechen die Landleute in denselben
und legen sich öfters zu drei und vier neben und aufeinander der
Länge nach hinein und verrichten Gebete, wodurch sie sich mit
Gott ausgesöhnt glauben, und kommen so getröstet am andern Ende
wieder heraus. Das ist eine jener mönchischen Anstalten des Mit-
telalters. Aber wer dürfte behaupten, dass sie nie einer menschli-
ehen Seele zum Heil gereichte? und wer berechtigt sein sie abzu-
schaffen, ohne eine bessere Form zu bieten, an welche der reuige
Sünder sich halten und durch die er sich erbauen kann. Das irdi-
sche Dasein ist eine Form und der darin lebende Mensch bedarf der
Formen, wie in den geringsten, so in den höchsten Angelegenheiten.