Volltext: Rafael Von Urbino Und Sein Vater Giovanni Santi (Erster Theil)

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1555 
Zierungen, worin er sich besonders einen grossen Ruf er- 
worben, Auch seine Darstellungen von Kinderspieleil sind 
voll Anmuth, wie z. B. der Fries in einem der Zimmer 
der Villa Madama, oder die vier 'l'apeten, welche als Ra- 
faefs Erfindungen vom Meister mit dem Würfel gestochen 
worden sind  ln allen seinen Werken erfreut die wahre 
und doch breite Behandlung der verschiedenartigsten Na- 
turgegeustände, die schöne Anordnung und der heitere Sinn. 
Polidoro Caldara da Caravaggio war ein von dem vor- 
hergehenden Schüler Rafaefs sehr verschiedenes Talent, 
welcher eine ganz andere Richtung, obgleich auch d.ec0- 
rativer Malerei in Aufnahme brachte. Bekanntlich hatte er 
sich als Maurerjunge in der Schule Rafaefs herangebildet 
und dann in Gemeinschaft mit einem jungen ilorentiner 
Maler Namens Maturino, der ganz dieselben Anlagen, wie 
er besessen zu haben scheint, viele Facaden der Häuser in 
Rom mit grau in Grau gemalten, oder auch farbigen Fres- 
comalereien geschmückt. Sie stellten meist friesartige, my- 
thologische oder antikhistorische Gegenstände dar, in wel- 
chegäPolidoro und Maturino eine eben so frische und gross- 
artige Darstellungsweise entwickelten, als sie bewwlndrxlngs- 
würdig sind in der freien, malerischen Anwendung eines 
gründlichen Studiums nach den antiken Bildwerken. Hierin 
wurden sie kaum von Giulio Romano übertroffen. Da ihre 
Malereien indessen allen Unfällen durch die Witterung aus- 
gesetzt blieben, zum Theil auch übertüncht wurden, so 
kennen wir des Polidoro Verdienst jetzt fast nur durch 
Kupferstiche, welche in grosser Anzahl nach seinen Male- 
reien an den I-Iäusern gemacht wurden. Weniger Geschick- 
lichkeit erwarb er sich in der Ölmalerei, wie z. B. seine 
Kreuztragung beweist, welche er in Messina gemalt und 
die Vasari als sein vorzüglichstes Ölbild rühmt. Es befindet 
sich nun im Museum zu Neapel unter N0. 223, und bestä- 
tigt ausser obiger Bemerkung auch noch die schon oft ge- 
machte Erfahrung, dass selbst schöne Talente, wenn sie 
aus einer günstigen, ihre Kunst fördernden Umgebung ge- 
Bartsch 
XV 
208.
	        
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